Karsten Stolle | Massage und Physiotherapie in Bielefeld -

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Mit Amanal Petros bei den Deutschen Meisterschaften 2015

Der perfekte Moment, das perfekte Team, die perfekte Emotion. Eigentlich dürfte es auch das perfekte Wochenende heißen.

Aber der Reihe nach. Nachdem ich den jungen Amanal Petros nun seit Dezember 2013 als Gast in meiner Praxis betreue und behandle, und nun schon viele Male zu „ Auswärtsspielen“ wie Darmstadt, Berlin oder München begleitet habe, sollte das Wochenende in Nürnberg bei den Deutschen Meisterschaften im Juli 2015 auch für mich etwas sehr besonderes sein.

Hier machte sich eine kleine Männerdelegation auf ins Frankenland. Bestehend aus meinem Sohn Lukas, der für Fotoarbeiten zuständig war, Thomas Heidbreder als Amanals Trainer, Amanal Petros als Hauptdarsteller und meiner Wenigkeit, als „Meisterkoch“ (perfekte 6 Minuten Frühstückseie ), Therapeut und Fahrer eines Tags zuvor in einem Geniestreich geliehenen Volvo XC60.

Und hier geht die Geschichte eigentlich schon los. Das perfekte Reisemobil für Gepäck, Massagebank und die Crew. Stolles holten der Reihe nach Trainer und Athleten ab, bevor es dann auf die A2 ging. Mein erster Gedanke war der, das hier eine richtige Mannschaft für eine große Mission sich auf den Weg machte. Ohne große Worte herrschte eine prickelnde Euphorie. Ich glaube jeder an Bord spürte es auf seine Art.

Nach knapp vier Stunden Autofahrt kamen wir in unserer Pension in einem vom Frankenstadion ca. 20 Minuten entfernten Ort an. Den Namen und die Straße der Unterkunft nenne ich ausdrücklich nicht! Das war so ziemlich das Schlechteste, was man für sein Geld kriegen konnte. Der Hintergrund auf dem Massagefoto lässt es nur ansatzweise erahnen.

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Nachdem wir schnell unser Gepäck in unserer „Vorortvilla“ verstaut und die Miete bei der „Centermanagerin“ beglichen hatten, ging es direkt ins Stadion. Der junge Deutsche in Spe wollte am Samstag schon etwas Stadionluft schnuppern und sein Trainer ein paar Laufwettkämpfe unter die Lupe nehmen. Nach ca. 90 Minuten war das erledigt, und wir mussten uns noch um unser leibliches Wohl kümmern. In einem extrem ambitionierten Italo-Restaurant kehrten wir ein. Trainer und Fotomann aßen Pasta, Athlet und Therapeut ließen sich Seefisch und Gemüse schmecken. Eine für Alle gute Wahl. Die Alten aus der Gruppe tranken noch einen Espresso, die beiden Jungs lieferten sich draußen vor der Tür noch einen knallharten 100m Sprint (handgestoppte 10,2 Sekunden)

Nein, die Stimmung war wirklich jederzeit gut. Im „Sportlerheim“ angekommen baute ich die Massagebank auf, auf der der junge Athlet schnell Platz nahm. Es kehrte eine tiefe Ruhe ein, Lukas und Thomas waren in den Nachbarzimmern lesen, während ich den tiefenentspannten Ausnahmeläufer von Kopf bis Fuß ca. 75 Minuten lang, bis nach Mitternacht massierte. Nach 8 Stunden Schlaf (Thomas hatte sich wohl schon um 6 Uhr aus dem Zimmer gestohlen, um eine kleine Trainingsrunde zum Frankenstadion zu laufen), stieg langsam die Anspannung. Nach einem „vorzüglichen“ Frühstück (etwas Eiweiß-lastig mit guten Kohlenhydraten, u. a. mit perfekten 6 Minuten-Eiern) zogen sich Trainer und Läufer dann nochmals für 10 Minuten zur Taktikbesprechung zurück. Ein „Timingschachzug“, der uns ein paar Stunden später aus den Sitzen reißen und zum Verlust unserer Stimme treiben würde. Genialität auf allerhöchstem Niveau.

„Der Junge“ wollte dann tatsächlich noch Geschirr spülen. Wir konnten ihn dann aber überreden, sich dann besser noch ein Stündchen lang zu legen. Diese Stunde wurde von den anderen Dreien genutzt zum Ausräumen der Wohnung, bzw. zum Shuttle Trainer/Fahrer zum Stadion (Heidbreder wollte schon mal den Einlaufplatz inspizieren und die Einschreibung des Läufers vornehmen).

Als ich dann zurück zur Pension fuhr waren die Jungs soweit abholbereit. Im Stadion angekommen, erwartete Thomas uns bereits. Und eine sehr emotionale Situation trat noch auf. Amanals Mutter rief aus Äthiopien an und wünschte ihrem Sohn viel Glück.

Spätestens jetzt lief der Countdown. Auf ging es zum Aufwärmplatz. Zwischen den großen Vereinszelten von Bayer Leverkusen und Wattenscheid rollte ich meine Yogamatte aus, um den jungen Ausnahmeläufer noch einmal final vor seinem sportlichen Höhepunkt zu massieren. Kurz und extrem hart! Bevor er sich nun noch ca. 45 Minuten lang einlief, „verabschiedeten“ wir uns bis nach dem Rennen. Eine Verabschiedung für nicht allzu lange Zeit, aber mit extrem emotionalem Tiefgang, Augenkontakt, und kurzer Aufzählung der letzten Tage und Stunden und allerhand positiven Punkten aus seinem Leben. Was ich ihm dann noch entgegen gebrüllt habe geht niemanden etwas an!

Mittlerweile hatten Lukas und ich unsere Plätze im Stadion – getrennt voneinander – eingenommen. Auch Thomas hielt sich nun irgendwo in der Coaching Zone auf. Alle hatten wir nun unsere Aufgaben erledigt, nur „Aman“ musste den Sack noch zumachen.

10 Minuten vor dem 5000m Start kamen nun die Athleten in die mit ca. 30.000 Besuchern gut gefüllte Arena. Amanal hatte von allen 23 Läufern die sechs Beste persönliche Bestzeit vorzuweisen. Dass er von allen Läufern der jüngste war, erwähne ich hier gern.

Was dann passierte war ganz großer Sport! „ Auf geht`s Amanal“ , hörte ich Lukas 150m von mir entfernt quer über den Platz brüllen. STARTSCHUSS! Vom Start weg im kontrollierten Mittelfeld mit permanenter Orientierung, was im Teilnehmerfeld abging, war der Junge hellwach. In Runde 11, also eineinhalb Runden vor der Ziellinie, ging die Post dann ab – aber richtig! Richard Ringer, der momentan schnellste Deutsche Läufer auf dieser Distanz, eröffnete den Schlussspurt. Amanal blieb nicht nur dran, sondern setzte sich mit dem ertönen der Schlussglocke kurzzeitig an die Spitze des Feldes. Ringer ließ sich das nicht gefallen und sorgt wieder für klare Verhältnisse. Das kurzseitige Spitzenmanöver war wohl der Grund dafür, dass Amanal ca. 80 m vor dem Ziel noch eingesammelt wurde und schließlich Bronze Gewinner wurde.

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Nass geschwitzt, Gänsehaut und mit abgemeldeter Stimme trafen wir Vier uns dann nach der Dopingkontrolle auf dem Stadionvorplatz wieder. Total erschöpft aber überglücklich lagen wir uns in den Armen.

Erst auf dem Weg nach Bielefeld zurück wurde uns bewusst, was für ein qualitativ hoch ergriffenes Wochenende hinter uns lag. Was ich gerne am Rande noch erwähnen möchte, war folgende Szene: Auf der Raststätte RHÖN machte die Mannschaft eine kurze P. – Pause. Alle gingen auf die „ Öffentliche“, nur nicht Amanal, der rannte mal eben bis zur Raststättenauffahrt zum Austreten und wieder zurück. Schliesslich galt es noch 2 Liter Wasser von der Dopingprobe unterzubringen. 5 Minuten später war dann Ruhe im Wagen, alle ausser dem Fahrer waren eingeschlafen. Danke Lukas, Thomas und Amanal für ein Wochenende, welches ich nicht vergessen werde!

P. S.: Amanal Petros erhielt 5 Tage später seiner deutsche Staatsbürgerschaft. Aber das ist eine andere Geschichte……